Wer Angst davor hat, in eine leere Wohnung zu kommen und keinen Menschen zu haben, der ihn begrüßt, der kaufe sich einen Hund. So sagt man landläufig. Kein Tier zeige seinem Mitbewohner mehr, wie sehr es ihn vermisst hat. Das mag stimmen, aber nur zum Teil. Ich hatte einmal einen Wellensittich, der bei meiner Rückkehr vor Freude immer fast den Käfig abriss. Aber dagegen ist alles nichts, wenn man mal erlebt hat, wie sich meine beiden Katzen gebärden, wenn ich einen Tag lang weg war.

 

Sari versteckt sich im Bett.

Begrüßungsfreude, gemäßigte Form

Bei unseren Schnurrern gibt es verschiedene Stadien der Begrüßung. Ganz unten angesiedelt ist das kurze, millimeterbreite Öffnen eines Auges mit kaum wahrnehmbarem Zucken eines Ohres, um dann sofort wieder in absoluter Ruheposition zu versinken. Das erfolgt, wenn ich kurz in der Nachbarschaft war und Madame und Monsieur wohlgesättigt ruhen. Das Signal lautet: Lass mich bloß in Frieden. Ich bin total kaputt.

Anders ist es, wenn ich vom Einkaufen zurückkomme. Aber hier ist das Tänzeln um mich und die Einkaufstüten herum eher Ausdruck der Vorfreude auf zu erwartende Leckerbissen als auf mich.

Vorfreude bei einem Tag Abwesenheit

Was aber abgeht, wenn ich nach einem Tag Autofahrt nach Hause komme, ist unbeschreiblich: Ich fahre seit einem Jahr alle ein bis zwei Wochen zu meiner Mutter, die sich in einem Altenheim befindet. 300 km hin und 300 km zurück. Meistens komme ich gegen 20 Uhr nach Hause. Die Katzen müssen nicht alleine bleiben, sondern sind bei meinem Mann und bestens versorgt. Alles andere würde zu einer schweren Ehekrise führen. Das ist ihm klar, deshalb ruft er mich unterwegs mehrmals an, um mir den exakten Gesundheitsbericht über das Befinden der Herrschaften zu übermitteln. Die Gespräche hören diese über den Raumlautsprecher mit und spüren dann – keine Ahnung wie auch immer -, wann ich zu Hause eintreffe. Mein Mann stellt eine auffällige Unruhe der beiden fest, je näher ich dem Heimatort komme. Sie laufen hin und her, begeben sich dann wieder auf einen Schlafplatz, wo sie zu dösen scheinen. Aber sie wirken angespannt und ihre Antennen stehen auf Empfang und sind in höchstem Maße aktiv.

Plötzlich fahren sie in die Höhe. Ja, sie ist es, das vertraute Motorengeräusch kommt näher! Sie sausen die Treppe hinab ins Erdgeschoss und fiebern mir hinter der Tür zur Garage entgegen. Wo ist sie bloß, unsere Fleisch-in-Häppchen-Schneiderin, unsere Maus-Werferin, unsere Langeweile-Bekämpferin?

 

Sari spielt mit einer Maus.

Im Freudentaumel

Endlich geht die Tür auf. Sie blicken mich nur kurz an, als ob sie sich vergewissern wollten, dass ich es auch sei. Dann werfen sie sich vor meine Füße, verharren aber nur eine Sekunde, sodass ich kaum die Möglichkeit habe, sie zu streicheln. Und jetzt beginnt eine Verfolgungsjagd, die jedem Krimi Ehre machen würde. Wehe, wenn noch irgendwo ein Hindernis steht. Im Galopp rasen die beiden die Kellertreppe hinauf, mehrere Stufen auf einmal nehmend. Dann geht es ins Schlafzimmer, von dort ins Badezimmer, ins Arbeitszimmer, in die Küche und wieder zurück zu mir. Ich will meinen Mann begrüßen, schaffe es aber kaum, da die beiden Schnurrer wie zwei entfesselte Tiger unsere Beine umrunden. Aber nicht lange. Bei meiner Heimkehr in der Weihnachtszeit hatte Rousseau die Anwandlung und thronte plötzlich im Weihnachtsbaum, den ich gerade noch festhalten konnte. Zum Glück haben wir dieses Jahr auf die echten Kerzen verzichtet. Mein Blutdruck, der durch das lange Sitzen im Auto ziemlich sank, stieg bedrohlich an. Aber schon sah sich Rousseau von neuen Schimären verfolgt und raste ins Schlafzimmer, Sari hinterher. Der Lärm, den die beiden immer machen, gleicht dem Getrampel von Pferdehufen. Und es ist so, als ob sie dabei vor Glück lachen würden. Ihre Lebensfreude ist ansteckend und mein Mann und ich stehen da und können nicht anders, als auch schallend mitzulachen.

Das plötzliche Ende

Bei der letzten Heimkehr wurde dieses Freudenspiel leider jäh beendet. Ich hatte nämlich seit einiger Zeit eine Glaskugelvase auf einem Tischchen im Schlafzimmer deponiert, die Rousseau normalerweise elegant wie ein Panther überspringt. In meiner Hektik vor der Abfahrt hatte ich am Morgen zwei Kleidungsstücke darauf geworfen, anstelle sie in den Schrank zu räumen. Armer Rousseau. Beim Sprung über das Hindernis blieb er hängen und riss die Vase zu Boden. Wer nun glaubt, er sei vor Schreck davongestoben, der täuscht sich. Er setzte sich neben die Scherben und harrte aus, bis ich alles aufgekehrt hatte. Und er sah richtig zerknirscht aus, sodass ich ihn unentwegt trösten musste.

Dann gab es endlich das leckere Fleischle als Trost und Tausende von Streicheleinheiten für beide.