Man sagt, es gebe Leute, die hätten Pferde kotzen sehen. Aber habt ihr schon Katzen weinen sehen? Ich schon. Dass ein Kater so um seinen Bruder trauert und dabei selbst krank wird,  erlebten wir bei unserem Sammy.

Zwei Kater werden getrennt

Sammy und Silvo waren Wurfgeschwister und unzertrennlich. Oft lagen sie stundenlang eng umschlungen wie ein Liebespaar im Katzenkorb und ließen sich durch nichts stören. Sammy war der Kräftigere von beiden, der auch den Ton angab. Es gab nichts, was ihn einschüchterte, weder ein Betonmischer noch Blitz und Donner. Davon profitierte der zarte und ängstliche Silvo, den man meistens im Schlepptau seines Bruders antraf. So erlebten sie zusammen manches Abenteuer. Einmal wurden sie im Haus unserer Nachbarn eingeschlossen, als diese in Urlaub fuhren. Nach verzweifelter Suche entdeckte ich die beiden schließlich spätabends, wie sie an einem Fenster im ersten Stock des leeren Hauses saßen und schrien.

Im Alter von sieben Jahren erkrankte Silvo aus heiterem Himmel an Niereninsuffizienz und war innerhalb weniger Wochen tot. Keine therapeutische Maßnahme hatte etwas gebracht. Es war für uns unfassbar, einen so jungen Kater zu verlieren.  Aber wie würde sein Bruder Sammy den Verlust verkraften? Wir beobachteten ihn genau und stellten in der ersten Woche nach Silvos Tod keinerlei Verhaltensänderung fest. Das überraschte mich, denn eigentlich hatte ich erwartet, dass er seinen Bruder vermisste und sich dies in irgendeiner Reaktion zeigte. Anscheinend waren Katzen doch Einzelgänger, die keinen Artgenossen brauchten. Weit gefehlt.

Wie Sammy trauert

In der 2. Woche nach Silvos Tod musste ich dringend zu meiner Mutter fahren, die krank geworden war,  und ließ Sammy bei meinem Mann zurück. Dieser rief mich kurz nach meiner Abreise an, um mir zu sagen, dass Sammy recht “komisch” sei. Umgehend fuhr ich nach Hause. Kein freudiges Begrüßen, kein lautes, gurrendes Miauen, keine Katze da. Da stimmte tatsächlich etwas nicht. Normalerweise stand Sammy Gewehr bei Fuß, wenn mein Auto die Garageneinfahrt passierte.

Nichts ahnend ging ich ins Schlafzimmer. Was ich jetzt sah, trieb mir selbst die Tränen in die Augen. In meinem Bett zusammengerollt zu einem kleinen Häufchen Katze lag mein ursprünglich großer, kräftiger Kater, das Fell nass an den Körper geklebt. Als er mich erblickte, öffnete er die Augen. Und das waren keine Katzenaugen, das waren Menschenaugen, in denen sich unendliche Trauer und Verzweiflung widerspiegelten. Die Ränder waren rot und nass. Er weinte. So etwas hatte ich nicht für möglich gehalten. Und noch nie hatte ich irgendwo gelesen, dass Katzen weinen. Wie verlassen muss sich dieser Kater gefühlt haben. Erst war der Bruder weg und dann auch noch seine wichtigste Bezugsperson. Ich hob ihn auf meinen Schoß und versuchte ihn zu trösten. Beide weinten wir, ich nicht wegen des Verlustes meiner Katze, sondern aus tiefstem Mitgefühl mit meinem traurigen Kater, der mir unendlich leid tat.

Sammy

Sammy

Und so ging es weiter

Gut ging es Sammy erst wieder, als er sich an seinen neuen Spielkameraden Djino gewöhnt hatte, der bei uns eingezogen war. Aber er litt fortan bis zu seinem Ende an einer Allergie, die ich mit Hilfe einer Tierheilpraktikerin in Schach halten konnte. Außerdem hatte er sich angewöhnt, bis ins hohe Alter jede Nacht um 4 Uhr ein lautes Schreikonzert durch das ganze Haus zu veranstalten, nach dem man hätte den Wecker stellen können.

Titelfoto: Andreas Lischke auf pixabay, 2. Foto: Fotolia_119437859

Link zu meinem Artikel, in dem der Verlust unseres Seelenkaters Micky beschrieben wird:

Wie unsere erste Katze ihren Todeszeitpunkt selbst bestimmte