Noch heute kommt mein Blut in Wallung, wenn ich an jenen Tag im Frühling denke, an dem unser kleiner  und erlebnishungriger Siamkater Silvo nicht auffindbar war.

Unsere Katzen im Garten

Ab ihrem zweiten Lebensjahr ließ ich unsere beiden Siambrüder Silvo und Sammy ohne Leine in den Garten. Die Sorge, dass ihnen etwas passieren könnte, verfolgte mich aber,  sodass ich ständig nachschaute, wo sie sich gerade herumtrieben. Irgendwann war es dann soweit: Silvo war verschwunden. In Panik durchforstete ich sämtliche Büsche im Garten und lockte mit allen Leckerbissen, die meine Küche zu bieten hatte. Leider ohne Erfolg.

Silvo im Baum

Als ich die Hoffnung, ihn bald wiederzufinden, schon fast verloren hatte,  hörte ich plötzlich seltsame Ruflaute, denen ich nachging. Mir schwante Böses, denn derartige Töne kannte ich noch nicht. Ich blickte nach oben und sah, dass sich in der Krone eines unserer alten Bäume etwas bewegte. Unverkennbar. Das war Silvo! Wie eine Jammergestalt krallte er sich an einem Ast fest und konnte weder vor noch zurück. Typisch Siam. Gerade sie wollen immer höher hinauf und wissen dann nicht mehr, wie sie herunterkommen sollen. Dass und wie sie rückwärts absteigen müssen, lernen sie erst durch Versuch und Irrtum. Was also tun? Zwar bin ich nicht unsportlich, und in der Schule hatte ich 50 m in 7,9 Sekunden überwunden, aber leider bin ich nicht schwindelfrei.

Erste Versuche, den Kater zu bergen

Dennoch versuchte ich, den Baum hochzuklettern. So einfach war das aber nicht. Immer wieder rutschte ich ab. Mit Schrecken malte ich mir aus, was passieren könnte, wenn es mir nicht gelingen würde, den kleinen Kerl herunterzuholen. Irgendwann würde es Abend werden. Er konnte doch nicht die ganze Nacht auf dem Baum bleiben. Was wäre, wenn er vor Erschöpfung loslassen würde. Auch Katzen können so unglücklich fallen, dass sie tot sind. Er musste doch etwas fressen und trinken. Als ich nach zwei Stunden zu keiner Lösung gekommen war, reichte ich ihm an einer langen Stange ein Gefäß mit Trockenfutter. Allerdings hatte er keinen Hunger und bewegte sich nicht einen Millimeter nach unten.

Keine Hilfe in Sicht

In meiner Verzweiflung rief ich meinen Sohn auf dem Handy an. Er hatte gerade Physik und sein Lehrer zeigte sich wenig erfreut über meinen Anfruf. Auch wollte er ihm nicht erlauben,  nach Hause zu gehen. An meinen Mann brauchte ich gar nicht zu denken, er war geschäftlich unterwegs – wie immer, wenn Holland in Not war.

Die rettende Idee

Endlich kam mir die zündende Idee! Warum war mir das nicht schon längst eingefallen? Unser Nachbar war ja Feuerwehrkommandant. Wenn überhaupt, so konnte nur er unseren Katzenkater retten. Also rief ich sofort bei ihm an. Seine Frau berichtete mir, dass er sich blöderweise gerade in einer Feuerwehrübung am Bahnhof befinde, versprach aber, ihn              zu informieren, dass er mit dem Feuerwehrauto vorbeikomme, sobald die Übung zu Ende sei.

Die Feuerwehr trifft ein

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich warten musste. Aber das Winseln auf dem Baum wurde immer kläglicher, sodass sich inzwischen schon einige Neugierige in unserem Garten versammelt hatten, auf deren Ratschläge ich allerdings pfeifen konnte. Als es schon dämmerte und Silvo vor Erschöpfung aufgehört hatte zu schreien, hörten wir das Feuerwehrauto mit Tatütata heranbrausen. Es gelang ihm kaum, sich einen Weg durch die vielen Schaulustigen zu bahnen.

Die Rettung

Mit geübten Griffen wurde die lange Leiter ausgefahren. Ich reichte dem Feuerwehrmann meinen Einkaufskorb. Er hielt Silvo den Korb zum Einsteigen hin und dieser stieg ein, als ob es die natürlichste Sache der Welt wäre. Erhobenen Hauptes saß er wie in einer Sänfte und genoss das Johlen der Zuschauer während des Abstiegs. Unten angekommen verließ er mit einem eleganten Panthersprung den Korb und stolzierte von dannen wie ein Torero aus der Arena.

Die Folgen

Leider musste mein Mann anschließend zwei Tage zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen, denn der Schreck, den er bekommen hatte, als er, von der Arbeit kommend, die Feuerwehr  vor unserem Haus agieren sah, hatte bei ihm Herzrhythmusstörungen ausgelöst.

Fotos: pixabay

Silvo starb leider schon mit 7 Jahren an Niereninsuffizienz. Sein Bruder Sammy konnte den Verlust fast nicht verkraften und wurde vor Kummer krank. Hier der Link dazu:

Die Katze, die weinte

Hier noch ein Link zum Abenteuer von Silvos Wurfbruder Sammy, der 5 Tage lang verschwunden war:

Sammy ist weg – einfach verschwunden!